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Wohnungsverkäufe in Berlin: Indikator für Stadtentwicklungspolitik?

16.11.2013

Wohnungverkäufe 2010

Wohnungverkäufe 2010

Die Bebauungsstruktur Berlins spiegelt die Entstehungsdynamik der Stadt deutlich wieder. Ausgehend von der überwiegend gründerzeitlich geprägten Innenstadt schließt sich vielfach der Wohnungsbau der Zwischenkriegszeit an – häufig auch entlang wichtiger Verkehrsachsen wie der Wannseebahn. Im äußeren Stadtgebiet bis an den Stadtrand heran dominieren Einfamilienhäuser, die im Westteil Berlins häufig mit Geschosswohnungsbau ergänzt wurden. Im Ostteil hingegen sind die unterschiedlichen Baugebiete für Einfamilienhäuser und Plattenbauten stärker voneinander abgegrenzt. Hinzu kommen wichtige Neubaugebiete der Nachwendezeit wie Rummelsburg, Wasserstadt Spandau oder Karow-Nord.

Ungleich verteilter Investitionsboom

Die kleinräumige Darstellung der Verkaufsaktivitäten 2010 erbringt die zunächst wenig überraschenden Ergebnisse: Die Art der Bebauung und die Nähe zur Innenstadt sind wichtige Faktoren für das Geschehen am Wohnungsmarkt. Sind das aber alle?

Die kleinräumige Verteilung der Wohnungsverkäufe zeigt nämlich: Innerstädtische Lage und hoher Altbauanteil sind längst keine Garanten für Marktdynamik. Bei der Analyse der Verkaufsaktivitäten fallen innenstadtnahe oder sogar innerstädtische Gebiete mit hohem Altbauanteil auf, in denen die Marktdynamik aber dennoch vergleichsweise niedrig ist. Hieran zeigt sich: Der Investitionsboom auf dem Wohnungsmarkt verteilt sich längst nicht gleichmäßig über alle Teilgebiete Berlins. Vielmehr gibt es klar ausgeprägte „Hotspots“ des Marktgeschehens, die sich nicht nur an geografischer und Wohnlage orientieren.

„Hotspot“ Innenstadt?

Hohe Verkaufszahlen zeigen sich dabei fast durchgehend in innerstädtischen Gebieten, die von Geschosswohnungsbau mit Baujahren vor 1918 und zum Teil auch aus der Zwischenkriegszeit geprägt sind. Hier sind für 2010 die meisten Verkäufe festzustellen. Typische Beispiele hierfür sind die gründerzeitlichen Wohngebiete in Südlicher Prenzlauer Berg, Friedrichshain-Ost, Teilen von Kreuzberg, Wilmersdorf, Schmargendorf, Friedenau und Schöneberg-Süd. Hierbei handelt es sich zwar im Wesentlichen um Altbaugebiete, aber nicht immer auch in guten und mittleren Wohnlagen.

Hohe Marktaktivität zeigt sich auch in einigen Gebieten jenseits der Innenstadt: Typischerweise in Gegenden, die von einem hohem Anteil von Villen und Zwischenkriegsbebauung geprägt sind, dabei aber auch einen hohen Anteil von mittleren oder sogar guten Wohnlagen aufweisen. Das gilt insbesondere für Gegenden im Berliner Südwesten sowie im Westend rund um das Olympiastadion. Auch das südliche Lichtenberg bringt eine solche Mischung aus gründerzeitlicher Bebauung und Villengebieten (sowie teilweise Neubau in Einfamilienhausbauweise) mit.

Ausnahmen Neukölln, Wedding, Moabit

Während 2010 in weiten Teilen gründerzeitlich geprägter Innenstadtquartiere sowie des Berliner Südwestens neun und mehr je 1.000 Bestandswohnungen den Eigentümer innerhalb eines Jahres wechselten, gab es dabei drei markante Ausnahmen: Neukölln, Wedding und Moabit. Hier fielen die Verkaufszahlen, trotz innerstädtischer Lage und relativ hohem Altbauanteil, deutlich schwächer aus – im Fall des innerstädtischen Nord-Neukölln mit weniger als drei Fällen je 1.000 Bestandswohnungen sogar ausgesprochen niedrig.

Klare Muster, langfristige Weichenstellungen?

Bei den Verkaufsaktivitäten ergibt sich aus der kleinräumlichen Betrachtung demnach weniger das Bild einer konzentrischen Ringstruktur, wie sie zu erwarten wäre, wenn allein Bebauungsstruktur und Innenstadtnähe das Marktgeschehen bedingten.

Tatsächlich zeigt sich eher das Muster eines Korridors. Dieser Korridor vergleichsweise höherer Verkaufszahlen zieht sich vom Berliner Südwesten mit einem Schwerpunkt in Charlottenburg-Wilmersdorf über die unmittelbaren Innenstadtlagen des Bezirks Mitte bis hin zu nordöstlichen und östlichen Innenstadtrandlagen in Prenzlauer Berg-Süd und  Friedrichshain.

Aus dieser Korridorstruktur lassen sich drei Schlüsse ableiten:

  • Gebiete mit hohem Altbauanteil (Geschosswohnungen oder Villen) werden für Kaufinvestitionen bevorzugt.
  • Innerstädtische Lagen stehen dabei in höherer Aufmerksamkeit als innenstadtfernere Gebiete, ebenso in der Tendenz Gebiete mit mittlerer und guter Wohnlage im Vergleich zu denen in einfacher Lage.
  • Ebenso wichtig wie die Lage in Bezug zur Innenstadt sind bei Kaufentscheidungen offensichtlich aber auch sozioökonomische Faktoren. Ihre Entwicklungsdynamik bietet sich ebenso als eine Erklärung der vergleichsweise geringen Marktaktivität in den innerstädtischen oder innenstadtnahen Lagen Neuköllns und des Weddings an, wie für das deutlich kräftigere Marktgeschehen in Teilen Lichtenbergs und dem Berliner Südwesten, aber auch in Gebieten mit eher einfacher Wohnlage in Friedrichshain-Kreuzberg.

Bei dieser kleinräumigen Auswertung der Verkaufszahlen handelt es sich freilich um eine Momentaufnahme für das Jahr 2010. Die ungebrochen hohe Anziehungskraft Berlins für Investitionen in den Wohnungsmarkt dürfte in den Folgejahren auch in Teilgebieten mit bis dahin relativ geringer Marktaktivität höhere Verkaufszahlen zur Folge haben. Zudem wäre auch zu fragen, inwieweit die Anwesenheit großer Bestandshalter mit umfangreichen Mietwohnungsbeständen in Gebieten mit einem hohen Anteil von Nachkriegsbebauung – wie beispielsweise in Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg, Teilen von Reinickendorf, Spandau oder Teilen Neuköllns – sich in Form hier niedrigerer Verkaufszahlen bemerkbar macht.

Auf der anderen Seite zeigt aber auch eine von GSW / CBRE für ihren Wohnmarktreport 2012 durchgeführte Analyse der räumlichen Verteilung ausgewählter Neubauprojekte, dass sich auch hier die für die Verkaufsaktivitäten beschriebene Korridorstruktur erkennen lässt. Was kann das für die Berliner Stadtentwicklung insgesamt bedeuten?

Letztlich unterstreichen auch die Fakten zu den Verkaufsaktivitäten, wie sehr sich der Berliner Wohnungsmarkt weiter ausdifferenziert. Die Daten für 2010 legen dabei sogar eine prozyklische Entwicklung nahe: Bereits sehr gefragte Gebiete stehen im besonderen Fokus des Marktinteresses – mit entsprechenden Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Nachfrage und Angebot, Preisentwicklung, Anteile von Eigentumswohnungen, und damit letztendlich auch auf die Mieten. Auf der anderen Seite fällt zweitens durch die geringere Marktaktivität in den jeweiligen Teilgebieten zumindest ein akuter preistreibender Faktor weg.

Beide Tendenzen spiegeln nicht nur die aktuelle Marktrealität, sondern hätten auch mittel- und langfristige Konsequenzen für die Entwicklung der jeweiligen Gebiete. In Teilgebieten mit höherer Verkaufsaktivität könnte eine ausgeprägtere Mietendynamik zur Abwanderung von Haushalten mit niedrigeren Einkommen führen. Damit stellen die Verkaufszahlen einen ergänzenden Indikator mit stadtentwicklungspolitischen Implikationen dar – gerade in Verbindung mit der Bebauungsstruktur: Wo Altbauquartiere eine entsprechende Zentralität aufweisen, dürfte es eine Frage der Zeit sein, dass auch diese in den Fokus verstärkter Marktdynamik geraten. Dies gilt es sorgfältig zu beobachten.

Ziel dieser Bewegung könnten die Gebiete werden, in denen die Marktaktivitäten weniger umfangreich sind. Dort wiederum könnte das eine weitere Abnahme der teilweise bereits jetzt schon niedrigen Leerstandsquoten zur Folge haben – weiter akzentuiert durch die in diesen Gebieten auch niedrigere Neubauaktivität.

Obwohl innenstadtnah, könnten sich auf diese Weise Gebiete mit erhöhtem sozial- und stadtentwicklungspolitischem Aufmerksamkeitspotenzial entwickeln. Dies gilt es sorgfältig zu beobachten.

 

Kurzinfo: Prognoseräume

Prognoseräume sind die oberste Gebietskategorie im Berliner Konzept der „Lebensweltlich Orientierten Räume“ (LOR). Diese erlauben für zahlreiche Indikatoren kleinräumige Auswertungen unterhalb der Bezirksebene. In Berlin gibt es insgesamt 60 Prognoseräume. Durchschnittlich leben in einem Prognoseraum rund 58.000 Menschen.

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